Gewalt kommt nicht in die Tüte!
25.11.2021: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
HAMBURG. Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine der weitverbreitetsten Menschenrechtsverletzungen.
Das hat Deutschland mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention anerkannt. Dennoch birgt die
mangelnde Umsetzung dieser in der Praxis noch große Schutzlücken.
Die Zahlen sind erschreckend: 40% aller Frauen in Deutschland haben laut einer Studie des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mindestens einmal in ihrem Leben
körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt. Jede vierte Frau in Deutschland erfährt diese durch ihren
Partner. Durchschnittlich jeden dritten Tag bringt ein Mann in Deutschland eine aktuelle oder ehemalige
Lebensgefährtin um.
Dabei stellen das eigene Zuhause und die Partner*innenschaft nicht die einzigen Bereiche dar, in denen
Frauen aufgrund ihres biologischen oder sozialen Geschlechts Gewalt erfahren. Für auf der Straße lebende
Frauen, Frauen in Unterkünften und jene, die bei Bekannten leben, ist Gewalt ebenso eine Gefahr. Ähnliches
gilt für viele Sexarbeiterinnen, die unter anderem aufgrund ihrer Tätigkeit und intersektionaler
Diskriminierung, Stigmatisierung und Gewalt erfahren. Zudem findet Sexarbeit durch Verdrängung und
Repression häufig außerhalb einsehbarer Orte statt, was das Risiko, Gewalt zu erleben, ebenfalls erhöht.
All diese Frauen benötigen niedrigschwellige Beratung, Schutzräume und Möglichkeiten zur akuten Hilfe und
kurz- wie langfristigen Versorgung. Diese Hilfe wird in Hamburg unter anderem von den Beratungs- und
Schutzeinrichtungen des Arbeitskreises gegen Gewalt an Frauen und Mädchen geleistet. Die hier vernetzten
Institutionen unterstützten alleine im Jahr 2020 mehr als 2.600 von Gewalt betroffene Frauen und Kinder.
Der Arbeitskreis hat es sich zum Ziel gesetzt, die Inanspruchnahme von Rechten gewaltbetroffener Frauen
und Mädchen gegenüber Polizei, Justiz und Politik zu verbessern und die Unterstützung von betroffenen
Frauen und Mädchen zu fördern. Dafür ist auch die finanzielle Absicherung aller Einrichtungen nötig, die
zu diesem Thema parteilich und qualifiziert arbeiten. Während der Covid-19 Pandemie ist mit dem
Unterstützungsbedarf der Klientinnen auch die Arbeitsbelastung in den Einrichtungen weiter angestiegen.
Gewalt an Frauen und Kindern bleibt in allen gesellschaftlichen Kontexten virulent. In den Hamburger
Frauenhäusern fehlen derweil noch immer viele Plätze. Zudem steht Fraueneinrichtungen wie ragazza
weniger Geld als im vergangenen Jahr zur Verfügung. Eine so unzureichende Finanzierung ist skandalös
und nicht im Einklang mit den Verpflichtungen der Istanbul-Konvention.
Der Arbeitskreis gegen Gewalt an Frauen und Mädchen Hamburg organisierte in den letzten 12 Jahren die
Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte!“ in Kooperation mit der Bäckerinnung. Durch die mit den
Kontaktdaten diverser Hilfseinrichtungen bedruckten Brötchentüten konnten zahlreiche Menschen in ihrem
Alltag erreicht und quasi am Frühstückstisch mit wichtigen Informationen zu Anlaufstellen bei
geschlechtsspezifischer Gewalt versorgt werden. Wegen kapazitiver Gründe kann dieses Jahr keine
Verteilung von Brötchentüten stattfinden. Die hamburgweite Verteilung von Plakaten mit dem Motiv
„Gewalt kommt nicht in die Tüte!“ erfolgte dennoch. Wir danken der Hamburger Sozialbehörde für die
finanzielle Unterstützung.
Mithilfe des kreativen Engagements der Werbeagentur Grabarz XCT wurden die Hamburger
Verkehrsverbund GmbH (hvv) mit der Hamburger Hochbahn AG und die S-Bahn Hamburg GmbH für eine
aufmerksamkeitsstarke Aktion gewonnen. An viel frequentierten Haltestellen und großen Umsteigeanlagen
des Hamburger U- und S-Bahn Streckennetzes thematisieren jeweils vier plakativ inszenierte
Bodenaufkleber die Tatsache, dass aktuell jede vierte Frau Beziehungsgewalt erlebt. Die URL
www.wegeausdergewalt.de leitet direkt zu den Beratungsstellen des Arbeitskreises.
Die Mitwirkenden des Arbeitskreises bedanken sich bei allen Unterstützer*innen