Im Zuge der gesellschaftlichen Verkennung als vereinzelte Tragödien werden die Frauen zu Schuldigen an ihren eigenen Schicksalen. Nicht die Täter, vornehmlich Männer, werden als Täter benannt; stattdessen werden die Biografie und das konkrete Verhalten der Frau herangezogen, um die Übergriffe zu begründen und letztlich zu rechtfertigen. Diese Täter-Opfer-Umkehr findet nicht nur Eingang in die mediale Verarbeitung von Femiziden. Wie aus Studien hervorgeht, waltet auch vor Gericht häufig aufgrund des Fokussierens auf das Verhalten des weiblichen Opfers ein systematisches Nachsehen mit den angeklagten Tätern[1]. Statt Femizide als das anzuerkennen, was sie sind, werden sie zumeist unter dem weniger schwerwiegenden Tatvorwurf ‚Totschlag‘ verhandelt. Der Deutsche Juristinnenbund fordert deshalb eine gesetzgeberische Intervention. Das Gesetz sollte gewährleisten, dass Trennungstötungen nicht milder bestraft werden, weil es sich um Taten in einer Partnerschaft handelt. Vielmehr sollte unter bestimmten Umständen eine Strafschärfung möglich sein. Das stünde auch im Einklang mit dem ‚Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt‘, der sogenannten Istanbul-Konvention, die seit Anfang Februar 2018 in Deutschland gilt. Durch die Konvention sollen Betroffene von geschlechtsbezogener Gewalt jeglicher Art effektiv geschützt und die Strafverfolgung von Tätern erleichtert werden. In der Konvention steht ganz klar, dass eine strafschärfende Berücksichtigung zu prüfen ist, wenn die Tat in einer Beziehung oder einer Ex-Beziehung stattfindet[2].
Wir fordern die Bundesregierung dazu auf:
- den Begriff Femizide anzuerkennen, darunter sind alle Morde zu verstehen, die an Frauen[3] begangen werden, weil sie Frauen sind
- Kampagnen und Programme zur Bewusstseinsbildung zu fördern und alle Maßnahmen die zur Verfügung stehen, um Femizide zu verhüten, einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Hierzu gehört insbesondere die fachlich fundierte Aufklärung über Femizide und deren Verhütung (Art 13 Istanbul-Konvention, Bewusstseinsbildung)
- daraufhin zu wirken, dass die Medien Richtlinien und Normen der Selbstregulierung festlegen, um Femizide zu verhüten (Art 17 Istanbul-Konvention, Abschnitt 1. und 2. Beteiligung des privaten Sektors und der Medien)
- Gewaltschutz, Kinderschutz und Strafrecht zu synchronisieren (Art 31 Istanbul-Konvention, Sorgerecht, Besuchsrecht und Sicherheit)
- darauf hinzuwirken, dass deutsche Gerichte eine Strafschärfung prüfen, wenn der Frauenmord im Rahmen einer (Ex-) Beziehung stattgefunden hat (Art 46a Istanbul-Konvention, Strafschärfungsgründe)
…denn:
Wirklich verhindert werden können Femizide nur, wenn wir die dahinterliegenden Strukturen anerkennen und gezielt verändern.
Mannheim, 25.03.2021
Pressekontakt: Britta Schlichting / Sylvia Haller
Tel: 0621-16853705, mobil: 017670209612
Email: info(at)zif-frauenhaeuser.de
[1] Temme, Gaby und Künzel, Christine (2014). Hat Strafrecht ein Geschlecht? Zur Deutung und Bedeutung der Kategorie Geschlecht in strafrechtlichen Diskursen vom 18. Jahrhundert bis heute. Bielefeld: transcript Verlag.
[2] https://www.sueddeutsche.de/panorama/femizid-gewalt-gegen-frauen-1.4635132, Zugriff 29.10.2019
[3] Hier geht es um die Bekämpfung einer patriarchalen Geschlechterdynamik mit einem binären Geschlechter-Gefälle. Uns ist bewusst, dass damit nicht alle Menschen abgebildet sind.